Am 26. November 2025 kamen 34 Mitglieder des Verbands des höheren Verwaltungsdienstes im Stuttgarter Ratskeller zusammen. Der interne Teil verlief zügig und geordnet: Nach der Feststellung der Beschlussfähigkeit wurden der Jahres- und der Kassenbericht der Schatzmeisterin vorgelegt, der Prüfbericht der Kassenprüfung ohne Beanstandungen bestätigt und der Vorstand ohne Gegenstimmen entlastet. Die Vorstellung des neuen Internetauftritts (dazu Seite 8) zeigte einen überarbeiteten, responsiven Web-Auftritt mit modernisiertem Logo und direktem Online-Änderungsformular, um die digitale Erreichbarkeit des Verbands zu verbessern. Zudem hat die Mitgliederversammlung einen Antrag auf moderate Erhöhung der Ehrenamtspauschale angenommen. Der Vorstand ist gehalten, diese Pauschale weiterhin anteilig unter den aktiven Vorstandsmitgliedern zu verteilen.
Politisch, erinnerte der Vorsitzende, habe der Verband 2024–2025 Gespräche mit allen demokratischen Landtagsfraktionen geführt. Dabei sei viel Zustimmung zu abstrakten Modernisierungszielen erkennbar – aber wenig Sicherheit über konkrete Ressourcen. Es bleibe unsere Aufgabe, jenseits wohlklingender Überschriften nüchtern zu prüfen, ob politische Programme ihre Entlastungsversprechen tatsächlich im Verwaltungsvollzug halten oder nur Zuständigkeiten und Risiken verschieben. Gerade der höhere Dienst müsse hier Erwartung, Wirkung und Verantwortung stringent unterscheiden – „wir sind Führungskräfte, keine Bewertungsadressaten politischer Erzählungen“.
Spannend wurde es ab 17:30 Uhr. Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Jörg Krauss nahm sich gut eine Stunde Zeit für einen Weckruf – fordernd, aber wohltuend ehrlich für das Publikum des höheren Dienstes. Vor dem Hintergrund einer Landesverwaltung mit 345.000 Beschäftigten und nur noch 6 % eigener Gesetzgebungskompetenz des Landes adressierte er ohne Umschweife die strukturelle Schieflage: Entlastung werde zu oft reflexartig mit „neuen Regeln“ beantwortet – statt Räume zu nutzen, die längst bestehen. In der Entlastungsallianz habe man 300 Maßnahmen zur Entbürokratisierung angestoßen.
Zugleich fehle aber jedes belastbare Bild, ob im gleichen Zeitraum nicht ebenso viele oder mehr neue Vorgaben von EU, Bund und Land hinzugekommen seien. Sein Fazit: Bürokratieabbau sei ein Erfolg – aber ein schwer messbarer.
Ebenso klar benannte Krauss kulturelle Defizite: zu viel Absicherung, zu wenig Mut, Verantwortung für Entscheidungen zu tragen, und ein Silodenken, das die eigentlichen gemeinsamen Landesziele ausblendet. Als Gegenangebot der Landesregierung stellte er verpflichtende Führungslehrgänge sowie das neue Führungsleitbild („Grundsätze zur Führung in der Landesverwaltung Baden-Württemberg“) vor. Alle Hausspitzen – auch das wurde deutlich betont – stehen in der Pflicht, diese Prinzipien umzusetzen.
Die Reaktionen darauf waren ungewöhnlich einhellig: Die Mitglieder begrüßten die offene Diagnose, bestätigten sie aktiv aus eigener Erfahrung und ergänzten um greifbare Verwaltungsrealität. Besonders die kommunalen Vertreterinnen und Vertreter machten einen Punkt, der nachklang: Viele der eingeforderten Fähigkeiten seien vor Ort längst Alltag – weil dort pragmatische Entscheidungen kein akademisches Konzept, sondern betriebliche Notwendigkeit sind. Ohne sie, so die Einschätzung, käme die kommunale Verwaltung ins operative Straucheln.
Das Fazit: Die Debatte über Führung im öffentlichen Dienst ist kein Nebenschauplatz, sondern eine berufliche Kernfrage – gerade in einem Umfeld, in dem rechtliche Komplexität zunimmt, Gestaltungsspielräume enger verhandelt werden und operative Entscheidungen schneller und begründbarer sein müssen. Wenn wir den höheren Dienst als prägende Kraft eines stabilen, bürgernahen und leistungsfähigen Staates begreifen, dann beginnt Glaubwürdigkeit mit klarer Verantwortungskultur und endet nicht bei Leitbildtexten. Verwaltungskultur bleibt eine Daueraufgabe. Sie entscheidet sich im Verwaltungshandeln – dort, wo Anspruch, Risiko und Realität kollidieren





