Diktat der Beamtensparpolitik setzt sich fort – Grüne und SPD planen weitere Beamtenopfer

von Dieter Berberich, Landesvorsitzender  Seniorenverband öffentlicher Dienst

Erinnern wir uns: Im Haushalt 2012 setzte Grün-Rot trotz heftiger Proteste bei den Beamten und Versorgungsempfänger Sparopfer im Umfang von 130 Millionen Euro um. Mit der Verschiebung der Besoldungs- und Versorgungsanpassung 2012 bis A 10 zum 1. März 2012 und den übrigen Beamten und Pensionären zum 1. August 2012 sparte die Landesregierung auf dem Rücken des öffentlichen Dienstes über 100 Millionen Euro ein. Weitere 30 Millionen an Sonderopfer diktierte die Koalition mit der 25-prozentigen Anhebung der Kostendämpfungspauschale im Rahmen der Beihilfe und der Anhebung des Eigenbeitrages für sog. „Wahlleistungen“ im Krankenhaus von 13 auf 22 Euro.

Genau vier Wochen vor Umsetzung der verzögerten Besoldungs- und Versorgungsanpassung zum 1. August 2012 listet Grün-Rot erneut, nun für den Haushalt 2013, Sparmaßnahmen auf. In der 5. Sitzung des Lenkungskreises der Haushalts- und Verwaltungsstrukturkommission am 4. Juli 2012 im Staatsministerium in Stuttgart wurde den Gewerkschaften, darunter dem Beamtenbund Baden-Württemberg, ein Acht-Punkte-Sparprogramm vorgestellt. Ziel sei, so das Staatsministerium, schnell realisierbare Einsparungen für den Doppelhaushalt 2013 im Umfang von rund 550 Mill. Euro und 2014 von insgesamt rund 800 Mill. Euro zu beschließen. Die Sparbeschlüsse im Personalbereich seien beschränkt auf Stelleneinsparungen oder Einsparungen bei der Besoldung, Versorgung und Beihilfe.

 

Erst zum Jahresende will die Landesregierung die Verwaltungsstrukturen durchforsten und über eine Aufgabenkritik zu Einsparungen gelangen.

 

Bei den intensiv rechtlich geprüften Einsparvorschlägen handelt es sich derzeit lediglich um „Vorschläge“. Sie sollen mit den Gewerkschaften diskutiert und vertiefend beraten werden. Weitere Gesprächstermine im Staatsministerium und mit MP Kretschmann sind nach dem 19. Juli geplant. Gerne würde die Regierung noch vor der Sommerpause entscheiden.

 

Der Seniorenverband öffentlicher Dienst Baden-Württemberg druckt nachfolgend die neuen Sparvorschläge im Personalbereich für seine Leser ab und versieht einzelne Vorschläge mit ersten kritischen Anmerkungen:

 

  1. Streichung der vermögenswirksamen Leistungen mit sozialer Komponente (Herausnahme mittlerer Dienst von der Streichung).

 

Anmerkung: Nach dem 5. Vermögensbildungsgesetz gewährt der Arbeitgeber (Land BW) für Vollbeschäftigte auf Antrag grundsätzlich monatlich 6,65 Euro. Bei Teilzeitbeschäftigung verringert sich der Betrag entsprechend dem Umfang der Teilzeitbeschäftigung. Erhoffte jährliche Einsparsumme ca. 8,4 Mio. Euro. Was in der Dienstrechtsreform bereits diskutiert, aber aus guten Gründen wieder verworfen wurde, soll jetzt durchgesetzt werden. Im Übrigen ein Schildbürgerstreich im Land der Häuslebauer und Bausparkassen!

 

  1. Auf drei Jahre befristete Absenkung der Eingangsbesoldung bei neu eingestellten Beamten im gehobenen und höheren Dienst um eine Besoldungsgruppe oder um einen Festbetrag:
  • Alternative 1: Befristete Absenkung um eine Besoldungsgruppe für neue Beamte in Eingangsämtern des gehobenen und höheren Dienstes. Geschätzte Einsparvolumen 2013 = 3,9 Mio. Euro, 2014 ca. 15,6 Mio. Euro und langfristig 35 Mio. Euro pro Haushalts-Jahr.
  • Alternative 2: Absenkung der Besoldung in den Eingangsämtern A 9/A 10 um 4% und Erhöhung der Absenkung in den Eingangsämtern ab A 12 von 4% auf 8 %. Einsparvolumen langfristig ca. 25 Mio. Euro.

 

Anmerkung: In einer Zeit, in der sich die freie Wirtschaft und der öffentliche Dienst um die „besten Köpfe“ streiten, ist eine solche Maßnahme verheerend. Schon jetzt fehlt es in vielen Dienststellen und Schulen an qualifizierten Bewerbern im technischen Bereich.

 

  1. Streichung des 10%-igen Zuschlags bei freiwilliger Lebensarbeitszeitverlängerung. Keine Einspareffekte.

 

Anmerkung: Eine Streichung für bereits genehmigte Verlängerungen wäre ein schlimmer Vertrauensbruch. Darüber hinaus wäre die Streichung gleichzeitig ein Verzicht auf damit verbundene Einsparungen und somit nur partei- und nicht haushaltspolitisch motiviert.

 

  1. Auf die Versorgung werden die Renten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte angerechnet – analog zu vergleichbaren Renten. Einsparungen derzeit nicht bezifferbar.

 

Anmerkung: Dies dürfte vor allem Nebenerwerbslandwirte betreffen. Sie zielt auf die Beseitigung sog. Privilegien der landwirtschaftlichen Altersversorgung und war bereits bei der Dienstrechtsreform geplant, jedoch am Widerstand des MLR gescheitert.

 

  1. Absenkung der Einkommensgrenze bei der Beihilfe für berücksichtigungsfähige Ehegatten von 18.000 € auf 10.000 €. Einsparungen nicht bezifferbar.

 

Anmerkung: Dieser Einsparvorschlag dürfte vor allem die Pensionäre treffen, deren Frauen weniger verdient haben, da sie im Hinblick auf die Kindererziehung teilzeitbeschäftigt waren und jetzt eine geringere Rente beziehen. Offen bleibt die Frage des Umgangs mit sog. „Altfällen“. Es ist nicht zumutbar, wenn Betroffene nun ihre private Krankenversicherung von 30 auf 100 Prozent erhöhen müssen, zumal ein Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung nicht möglich sein wird.

 

  1. Beihilfefähigkeit der zahntechnischen Leistungen Keramik, Edelmetalle von 100% auf 70% absenken. Einsparungen unbekannt.

 

Anmerkung: Was genau darunter fällt, wäre noch zu hinterfragen. Sind es Leistungen der GOZ-Abschnitte C, F und H insgesamt oder nur die zahntechnischen Leistungen, die der Zahntechniker erbringt. Sind Füllungen und Implantate ausgenommen? Wie reagiert die PKV darauf?

 

  1. Einheitlicher Beihilfebemessungssatz (BMS) für neu eingestellte Beamte und deren Ehegatten von 50%; auch im Versorgungsfall (bisher: BMS bei Ehegatten 70% und bei Beamten mit zwei und mehr Kindern 70% und 70% bei Versorgungsempfängern). Anmerkung: BMS für Kinder weiterhin 80%. Geschätzte Einsparungen 2013 ca. 1,3 Mill. Euro, 2014 ca. 2,5 und langfristig ca. 165 Mill. Euro.

 

Anmerkung: Ob dies der Einstieg einer späteren Ausweitung auf die bestehende Beihilfeberechtigung ist, kann nur vermutet werden oder ist es gar der erste Schritt in Richtung Bürgerversicherung. Bisher kann sich der Beamte unter bestimmten Voraussetzungen nur freiwillig in der GKV versichern und muss dann den vollen Beitrag alleine zahlen.

 

  1. Anpassung der Kostendämpfungspauschale in Abhängigkeit von den pauschalierten Bruttojahresbezügen (10 Stufen, je nach Besoldungsgruppen); Dynamisierung der Kostendämpfungspauschale entlang der Beihilfeausgaben pro Kopf. Einsparvolumen derzeit nicht darstellbar.

 

Anmerkung: Hier rätseln die Fachleute über den politischen Willen und die gesetzliche Umsetzbarkeit. Welche Rechengröße ist anzusetzen ist und wie sich die Vorgabe justitiabel ausgestalten lässt. Hier muss sich die Politik noch erklären.

 

Vorläufige Schlussbemerkung:

Jetzt wird immer offenkundiger, wer die Zeche für die Realisierung der Wahlgeschenke der grün-roten Landesregierung bezahlen muss. Für die Betroffenen ist unerträglich, dass kein Ende in Sicht ist. Die verzögerte Besoldungs- und Versorgungsanpassung des Haushaltes 2012 tritt erst am 1. August in Kraft und schon werden neue Spardiktate vorgelegt. Die Verunsicherung bei den Betroffenen ist groß und die Einseitigkeit der Einsparungen nur beim öffentlichen Dienst lässt jegliche soziale Gerechtigkeit und Ausgewogenheit vermissen.

 

Der Seniorenverband öffentlicher Dienst BW wird gemeinsam mit den BBW und seinen Fachgewerkschaften zunächst die Vorschläge sorgfältig, vor allen in seinen fiskalischen Auswirkungen prüfen und dann in harte Verhandlungen mit der Regierung eintreten. Neue Protestaktionen sind nicht ausgeschlossen, wollen jedoch gut überlegt sein.

 

 

Weitere Infos entnehmen Sie bitte der Internetseite des BBW unter

http://www.bbw.dbb.de/

Dieser Beitrag wurde unter Aktuelles veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.