Beihilfe: Absenkung der Einkünftegrenze für berücksichtigungsfähige Ehegatten von 18.000 € auf 10.000 € unwirksam!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) hat mit dem uns erst vor wenigen Tagen bekannt gewordenen Urteil vom 14.12.2017, Az.: 2 S 1289/16 die Regelung des § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/2014 zur Gewährung von Beihilfe für Ehegatten und Lebenspartner für unwirksam erklärt. Mit der Neufassung des § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO war die Einkünftegrenze dieses Personenkreises von 18.000 € auf 10.000 € abgesenkt worden.
Der VGH hat in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall auf die bis zum 31.12.2012 geltende Einkünftegrenze (18.000 €) zurückgegriffen und dem Kläger die Beihilfe zugesprochen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte die Klage mit Urteil vom 30.5.2016 – 12 K 1564/14 -zurückgewiesen. In dem der VGH-Entscheidung zugrunde liegenden Fall betrugen die Einkünfte der Ehefrau in den maßgeblichen Jahren jeweils mehr als 10.000 €, aber weniger als 18.000 €. Der VGH hat die Revision zugelassen. Ob das Land Revision einlegt wird noch geprüft.
Der BBW empfiehlt Betroffenen, denen aufgrund der aktuellen Regelung des § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO (Gesamtbetrag der Einkünfte über 10.000 €) die Beihilfe für den Ehegatten abgelehnt wird, und die aber nach der bis 2012 geltenden Regelung einen Beihilfeanspruch hätten (Gesamtbetrag der Einkünfte bis 18.000 €) gegen ablehnende Beihilfebescheide fristgemäß innerhalb der Widerspruchsfrist insoweit Widerspruch einzulegen und eine Aussetzung des Verfahrens zu beantragen. Ein Formulierungsmuster ist in der Anlage beigefügt.
Sofern Mitglieder im Hinblick auf die aktuelle Fassung der BVO bislang von einer Antragstellung abgesehen haben, sollte jetzt ein Beihilfeantrag gestellt werden, sofern die Ausschlussfrist des § 17 Abs. 10 BVO noch nicht abgelaufen ist, und sofern die Einkünfte des Ehegatten in den beiden Kalenderjahren vor Antragstellung den nach altem Recht maßgeblichen Grenzbetrag von 18.000.- € jeweils nicht überschreiten.
§ 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/2014 lautet wie folgt: „Nicht beihilfefähig sind …. die in §§ 6 bis 10 a genannten Aufwendungen, auch in Verbindung mit § 13, die für den Ehegatten des Beihilfeberechtigten oder dessen Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz entstanden sind, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes) des Ehegatten oder des Lebenspartners nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz in den beiden Kalenderjahren vor der Stellung des Beihilfeantrags jeweils 10.000 € übersteigt, …“.
Die Rücknahme der durch das Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014 eingeführten Verschlechterungen in der Beihilfe, insbesondere den einheitlichen Beihilfebemessungssatz von 50 % für seit 2013 neu eingestellte Beamtinnen und Beamte, deren Ehepartner und im Ruhestand sowie die Absenkung der Einkünftegrenze von Ehegatten von 18.000 € auf 10.000 €, die Begrenzung der Beihilfefähigkeit von zahntechnischen Leistungen und die Erhöhung der Kostendämpfungspauschale sind Bestandteil der zentralen Forderungen des BBW, die durch die aktuelle Entscheidung des VGH nun gestützt werden. Der BBW bleibt weiter am Ball.
Zu der Entscheidung im Einzelnen:
Der Entscheidung des VGH liegt der Fall eines Ruhestandsbeamten zugrunde, dessen Ehefrau als Rentnerin gesetzlich krankenversichert ist. Der Gesamtbetrag der Einkünfte lag in den Jahren 2011, 2012 und 2013 knapp über 10.000 €.
In den Entscheidungsgründen führt der VGH aus, die Regelung des § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/14 (§ 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO n. F.), mit der die Einkünftegrenze von 18.000 € auf 10.000 € abgesenkt wurde, sei unwirksam. Die Regelung des § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO genüge weder den formellen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung noch den Maßgaben der Ermächtigungsgrundlage. Der Entscheidung über den Beihilfeanspruch des Klägers sei deshalb § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung (§ 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO a. F.) zugrunde zu legen.
Bezüglich den formellen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung vertritt der VGH mit dem Hinweis auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Beamtenbesoldung den Standpunkt, dass der Gesetzgeber auch dann die Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren, so die Beachtung einer ggf. bestehenden prozeduralen Begründungspflicht einhalten muss, wenn er durch ein Gesetz eine Rechtsverordnung ändert.
Diesen Begründungsanforderungen habe der Gesetzgeber jedoch bei der Festlegung der Einkünftegrenze nicht hinreichend Rechnung getragen. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung sei die Herabsetzung der Einkünftegrenze ausschließlich fiskalisch motiviert. Auch ermöglichten die Ausführungen in der Begründung keinen Rückschluss darauf, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung der konkreten Höhe der Einkünftegrenze mit Blick auf den unter Beachtung der Fürsorgepflicht zu konkretisierenden Begriff der wirtschaftlichen Unabhängigkeit rechtliche oder tatsächliche Überlegungen angestellt hat. Mit der Herabsetzung der Einkünftegrenze sei insbesondere auch keine Neustrukturierung der Beihilfe oder Besoldung einhergegangen. Das besondere Treueverhältnis verpflichte aber Beamte nicht dazu, stärker als andere zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte beizutragen. Zudem sei die Herabsetzung der Einkünftegrenze nicht als Teil eines nach der Begründung in den Gesetzgebungsmaterialien schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung erfolgt. Außerdem würden nach den Ausführungen des VGH unter Hinweis auf den Anstieg des (preisbereinigten) Bruttoinlandsprodukts keine Anhaltspunkte für eine außergewöhnlich schlechte konjunkturelle Entwicklung im Jahr 2012 vorliegen, in dem das Haushaltsbegleitgesetz 2013/14 verabschiedet wurde.
Ungeachtet dessen, dass die Verletzung der prozeduralen Begründungspflicht nach den Ausführungen des VGH für sich genommen schon zur Nichtigkeit der Vorschrift führe, folge die Unwirksamkeit der Neuregelung auch daraus, dass der als Verordnungsgeber handelnde Gesetzgeber durch die Festlegung einer Einkünftegrenze von 10.000 € den ihm bei der Konkretisierung des Begriffs der „wirtschaftlichen Unabhängigkeit“ zukommenden Einschätzungsspielraum evident überschritten hat, sodass sich die Neuregelung nicht mehr im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage halte.
So spricht die Ermächtigungsgrundlage des § 78 Abs. 2 S. 4 LBG bezüglich der Begrenzung der zumutbaren Eigenvorsorge der Beihilfeberechtigten von „bei nach der Höhe ihrer Einkünfte wirtschaftlich nicht unabhängigen Ehegatten“. Der VGH führt weiter aus:
„Ein Ehegatte oder Lebenspartner, dessen Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) in den beiden Kalenderjahren vor der Stellung des Beihilfeantrags jeweils 10.000 EUR übersteigt, kann auch unter Berücksichtigung des dem Verordnungsgeber zukommenden Gestaltungsspielraums nicht in vertretbarer Weise als wirtschaftlich unabhängig im Sinnen des § 78 Abs. 2 Satz 4 LBG angesehen werden. Denn ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 10.000 EUR jährlich, d.h. 833,33 EUR monatlich, unterschreitet sogar noch den sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf zuzüglich eines zu berücksichtigenden Mindestabstandes in Höhe von 15 %, wobei der Senat ausdrücklich offen lässt, ob bei Überschreiten dieses Betrags von einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Ehegatten/Lebenspartners auszugehen wäre.“
Abschließend stellt der VGH fest, dass Bedenken gegen die Gültigkeit des § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO in der bis zum 31.12.2012 maßgeblichen Fassung (18.000 €-Grenze) nicht bestehen. Diesbezüglich sei davon auszugehen, dass diese offenkundig den Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage an die Konkretisierung des Begriffs der wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Ehegatten/Lebenspartners genügt. Dementsprechend habe auch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteile vom 10.10.2013 und 3.6.2009) eine Einkünftegrenze von 35.000 DM und habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (vgl. Beschluss vom 1.9.2017 – 14 ZB 15.1664 -) eine Einkünftegrenze von 17.000 € (§ 4 Abs. 1 BBhV) nicht beanstandet.
Wir bitten Sie, Ihre Mitglieder entsprechend zu informieren. Bitte beachten Sie, dass dieses Schreiben nicht für die Veröffentlichung auf einer Homepage bestimmt ist. Der BBW wird auf seiner Homepage unter www.bbw.dbb.de über die Entscheidung informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Susanne Hauth
Justitiarin, Geschäftsführerin