Stuttgart 21 berufspolitisch gesehen

Ein Beitrag von Bernhard Freisler, Vorstandvorsitzender: Seit ca. 20 Jahren arbeiten viele Kolleginnen und Kollegen an der Planung sowie Genehmigung des Projekts. Über 400 Millionen Euro sind dafür bereits ausgegeben. Viel Arbeitszeit wurde in Behörden eingesetzt. Die Verfahren liefen in den politischen Gremien öffentlich ab. Im verwaltungsjuristischen Bereich hat man etliche Planfeststellungsverfahren durchgeführt, die ebenfalls öffentlich – z. B. mit Erörterungsterminen – stattfanden. Die Genehmigungen wurden fast alle verwaltungsgerichtlich überprüft und für rechtmäßig befunden. Niemand hat in irgendeinem Verfahren einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt, weil angeblich Sachverhalte zurückgehalten wurden bzw. diese sich verändert hätten. Daher steht fest, dass viele Kolleginnen und Kollegen fachlich über die Jahre hervorragende Arbeit geleistet haben. Auch der zivilrechtliche Urheberrechtsstreit ging zu Gunsten der Bahn als Eigentümer und Bauträger aus. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, das das Bürgerbegehren von 2007 für rechtswidrig erklärt hat, hat niemand Berufung eingelegt. Damit ist das Urteil rechtskräftig. Das Projekt genießt (daher) nach den geltenden Regeln unseres Landes die volle Legalität.
Wenn die Projektgegner die Rechtswege nicht weiterverfolgt haben und stattdessen Massenmobilisierung gegen das durch Artikel 14 GG geschützte Baurecht betreiben, so müssen wir fragen, wofür jetzt demonstriert wird. Immerhin haben die Verwaltungen nach Recht und Gesetz (Artikel 20 GG) gearbeitet und die unabhängigen Gerichte „Im Namen des Volkes“ die Urteile gesprochen. Wenn der Rechtsweg für zu unbequem bzw. für nicht erfolgversprechend gehalten wird und die Mobilisierung von Menschen einfacher und/oder politisch-medial für wirksamer, so sei an den Reichstag zu Worms im Jahre 1521 erinnert. Dort wurde der „Ewige Landfrieden“ verkündet. Darin wurde geregelt, dass Streitigkeiten in Deutschland von Gerichten befriedet werden. Die Lehre von der Gewaltenteilung bestätigte diesen Weg. Als Ergebnis sollen die Urteile der Gerichte Rechtsfrieden bringen. Was legitimiert die Demonstranten nun zum Teil mit Rechtsverstößen gegenüber dem Bauherrn, dem Land, der Stadt sowie gegen einzelne Polizisten vorzugehen, d. h. den Rechtsfrieden zu brechen? Es fällt schwer diesbezüglich etwas zu erkennen. Damit die Verwaltung auch in Zukunft nach Recht und Gesetz arbeiten kann, bedarf es eines Rechtstaats. Daher können wir nicht akzeptieren, wenn der Rechtsweg gegen eine Mobilisierung von Teilen des Volkes als politisches Instrument ausgetauscht werden könnte. Vertretbar ist nur, die Regeln für das Zustandekommen von Gesetzen oder Projekten für die Zukunft neu festzulegen. Dann hätten die Verwaltung sowie die Gerichte die nötigen Vorgaben für ihre Arbeit. Bestünde die Möglichkeit bestands- oder rechtskräftige Rechte nachträglich zu kassieren, würde dies unseren Rechtstaat deutlich verändern bzw. sogar gefährden. Denn dies würde wiederum politischen Zündstoff liefern. So regt sich auch dagegen im Neckar- und Filstal bereits Widerstand. Anzumerken ist noch, dass die Projektgegner es anscheinend auch scheuen die Zulässigkeit eines Volksentscheids durch den Staatsgerichtshof des Landes klären zu lassen und nicht bedenken, dass auch jede Alternativplanung gegen die jetzige Planung abgewogen werden müsste. Für die Hoffnung, Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit könnten bei einer solchen Abwägung ihre bisherige Entscheidung ändern, gibt es keine erkennbaren Anzeichen. Bisher ist vor allem nicht ersichtlich welche Alternative warum vernünftiger sein sollte. Dies bedeutet ein hohes Risiko für eine jede solche Alternative – auch hinsichtlich deren verwaltungsgerichtlicher Bestätigung. Auch wir arbeiten nicht gern für den Papierkorb. Die Politik muss den Wert der bisher investierten Arbeit wertschätzen und diese öffentlich verteidigen. Insbesondere wäre der verantwortungsvolle sparsame Umgang mit Haushaltsmitteln nicht glaubhaft, wenn das Projekt ohne bessere praktisch umsetzbare Alternative beendet würde. Die dadurch eintretende Geldvernichtung wäre nicht zu vertreten. Tagtäglich streiten wir nämlich um deutlich kleinere Summen bei Einsparungen, Besoldungserhöhungen oder anderen Projekten.
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